Forggen, der Forggensee und eine Landschaft, die zweimal lebt

Ein Ort, den es nicht mehr gibt – und doch wieder auftaucht

Im Sommer liegt der Forggensee friedlich eingebettet in die malerische Voralpenlandschaft des Ostallgäus. Glitzerndes Wasser, segelnde Boote, grüne Ufer – dahinter Schloss Neuschwanstein, das wie aus der Zeit gefallen scheint. Doch was heute wie ein natürliches Paradies wirkt, war vor siebzig Jahren noch ein ganz anderes Tal: bewohnt, bewirtschaftet, belebt. Einige Dörfer und Weiler sind unter dem Wasser versunken. Darunter ein Teil der Ortschaft Brunnen, ebenso Deutenhausen und Forggen. Das Dorf Forggen, Namensgeber des heutigen Sees, zählte fünf Hausnummern und acht Gebäude. Dort, wo heute Wellen schlagen, standen einst Bauernhäuser, Felder und Apfelbäume. Und jedes Jahr, wenn im Herbst das Wasser weicht, kehrt ein Stück dieser Vergangenheit zurück.

Der Tag, an dem das Tal verschwand

Die Entscheidung, den Lech aufzustauen, wurde in den 1950er-Jahren getroffen – im Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs, des technischen Fortschritts und der Wasserkraft. Der neue Stausee sollte Hochwasserschutz bieten, Elektrizität liefern, den Lech zähmen. Dafür musste das Forggental geopfert werden. Rund 50 bewohnte Gebäude, darunter 16 Bauernhöfe mit 800 ha Nutzfläche wurden umgesiedelt. Die Häuser abgetragen, Straßen demontiert, Gräber verlegt. Die Bewohner wurden in umliegenden Gemeinden untergebracht, dort bot ihnen die BAWAG Häuser und Bauernhöfe als Ausgleich an. Einige Menschen jedoch, wurden in weitere Gemeinden verlegt. Manche fanden eine neue Heimat – viele jedoch verloren mehr als nur ein Dach über dem Kopf.

Ein See mit zwei Gesichtern

Der Forggensee ist ein technisches und natürliches Kuriosum: Als Saison-Stausee wird er jeden Winter fast vollständig abgelassen. Was bleibt, ist ein faszinierendes Bild: ein ausgetrockneter Seeboden mit Spuren der Vergangenheit. Wanderwege führen dann über den Grund der ehemaligen Siedlungen – vorbei an alten Mauern, Stallresten und Brückenfundamenten. Im Nebel oder bei Morgenfrost hat diese Landschaft etwas beinahe Gespenstisches. Und dennoch wohnt ihr eine stille Schönheit inne – eine Art Versöhnung zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Zwischen Geschichte und Gegenwart: Der Forggensee heute

So sehr die Geschichte unter der Oberfläche mitschwingt, so lebendig ist der Forggensee heute: Im Sommer ist er ein beliebtes Ziel für Radfahrer, Wassersportler, Familien und Erholungssuchende. Und das völlig zurecht. 

Erleben & Entspannen am Forggensee 

Radfahren:

Ein Rundweg von ca. 32 Kilometern führt einmal um den See – größtenteils flach, perfekt für E-Bikes und Familien. Immer wieder eröffnen sich grandiose Ausblicke auf die Alpen und die Königsschlösser. Einkehrmöglichkeiten entlang der Strecke machen die Tour besonders angenehm.

Stand-up-Paddling & Wassersport:

Das klare, ruhige Wasser des Sees eignet sich hervorragend zum SUPen – besonders in den frühen Morgenstunden, wenn das Licht golden auf dem Wasser liegt. Auch Segeln, Kajakfahren und Tretboote sind beliebte Aktivitäten. Es gibt mehrere Verleihstationen, u.a. in Füssen und Schwangau.

Baden:

An mehreren Stellen gibt es offizielle Badeplätze – mit flachen Ufern, Wiesen, Spielplätzen und Parkmöglichkeiten. Besonders beliebt: das Badeufer bei Dietringen sowie die Halbinsel bei Waltenhofen.

Forggenseeschifffahrt:

Von Juni bis Oktober verkehren Ausflugsschiffe über den See. Die große Rundfahrt dauert etwa 1,5 Stunden – inklusive Panoramablick auf Schloss Neuschwanstein. Die kleine Rundfahrt dauert ca. 1 Stunde. Ebenso bietet die Schifffahrt viele Events auf dem Schiff an, darunter auch Abendfahrten mit Erzählungen zur Geschichte oder Musik. Perfekt für alle, die Natur und Kultur entspannt verbinden möchten.

Tipp für Entdecker:

Auf dem Seegrund wandern Zwischen Oktober und Mai, wenn der Wasserspiegel niedrig ist, kannst du auf dem Grund des Forggensees wandern – durch eine Landschaft, die sonst verborgen bleibt. Feste Schuhe sind Pflicht, und ein bisschen Fantasie hilft: Wo jetzt nur Schlick und Steine sind, standen einst die Häuser der ehemaligen „Seebewohner“.

Fazit

Der Forggensee ist weit mehr als ein Stausee. Er ist ein Denkmal im Wasser, ein Ort voller Geschichten, Gegensätze und Möglichkeiten. Ob man über den trockenen Boden wandert, am Ufer radelt oder auf dem Wasser paddelt – man spürt: Hier lebt die Vergangenheit nicht nur in Erzählungen, sondern im Boden selbst. Und kehrt jedes Jahr zurück, mit dem Wandel der Jahreszeiten.

Fakten:

  • Fläche im Sommer (voll aufgestaut): ca. 15,2 km²
  • Deutschlands größter Stausee (Fläche)
  • Viert größte See in Bayern
  • Maximale Länge: ca. 12 km
  • Bauzeit: 1950–1954
  • Inbetriebnahme: 1954
  • Lage: bei Füssen/Schwangau im Allgäu, Bayern
  • Zweck: Hochwasserschutz, Wasserkraft, Wasserregulierung für den Lech
  • Stauwerk: Teil des Lech-Staukraftwerks-Systems der Uniper Kraftwerke GmbH